Klappentext:
Fernando hatte sie gewarnt: "Von hundert Leuten, die den Fluss überqueren, packen es gerade mal zehn durch Chiapas, drei bis zur Grenze im Norden und einer schafft's rüber."
Zu fünft brechen sie auf: Miguel, Fernando, Emilio, Jaz und Ángel. Die Jugendlichen haben ein gemeinsames Ziel - über die Grenze in die USA zu gelangen. Wenn sie zusammenhalten, haben sie vielleicht eine Chance. Vor ihnen liegen mehr als zweieinhalbtausend Kilometer durch ganz Mexiko, die sie als blinde Passagiere auf Güterzügen zurücklegen. Doch auf den Zügen herrschen eigene Gesetze und unterwegs lauern zahlreiche Gefahren. Werden sie ihr Ziel im Norden erreichen?
Zum Inhalt:
Mit „Train Kids“ schlägt der Autor Dirk Reinhardt ein wichtiges Kapitel in unserer Gegenwart auf, mit dem Thema Migration und den familiären Auswirkungen als Hintergrund. In vielen Ländern ist es leider durchaus üblich, dass Kinder von den Eltern zurückgelassen werden müssen, weil es in der Heimat keine Perspektive für einen Weg aus der Armut gibt. Ein Großteil der Migranten sind mittlerweile Frauen, darunter auch alleinerziehende Mütter.
Auch die Mutter von Miguel musste vor sechs Jahren solch eine schwere Entscheidung treffen. In ihren Briefen versprach sie immer wieder, dass sie ihn und seine Schwester zu sich holen würde. Doch leider war ihr dies in all den Jahren nie möglich. Das ist bei dem vierzehnjährigen Miguel der Grund für diese überaus riskante Reise. Allerdings treffen ähnliche Schicksale auch auf die vier anderen Jugendlichen in diesem Roman zu, die sich eher zufällig an dem Tag kennenlernen, an dem diese kaum vorstellbare Odyssee beginnt. Jeder von ihnen hat schon sein eigenes Stück trauriger Vergangenheit im Gepäck, das er mit auf diese Reise nimmt.
Die Flucht in die USA ist für die kleine Gruppe verbunden mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Ein Leben in Freiheit und ohne Armut. Doch der Preis ist hoch. Angst und Verzweiflung, Hunger und Durst, Hitze und Kälte sind an der Tagesordnung. Auf und an den Zügen drohen Unfälle. Die größte Gefahr geht allerdings von Banditen, korrupten Polizisten, Drogenhändlern und Menschenschmugglern aus. Mehr als einmal sind die Jugendlichen körperlicher Gewalt ausgesetzt. Aber sie treffen auch auf Menschen, die es gut mit ihnen meinen, und das gibt ihnen immer wieder neuen Mut und etwas Zuversicht. Aber vor allem sind es zwei Dinge, die ihnen die nötige Kraft zum Durchhalten geben: Freundschaft und Zusammenhalt.
„Du hast recht, Jaz. In den dunkelsten Zeiten sind die Freundschaften immer am hellsten.“ (Seite 154)
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Mein Fazit:
Der Roman „Train Kids“ hat mich mit seiner Thematik und der ergreifenden Geschichte unglaublich berührt. Man nimmt als Leser Anteil am Schicksal dieser Jugendlichen, ist erschüttert, oftmals fassungslos, und möchte am liebsten jeden aus seiner Lebensgeschichte herausnehmen und eine andere möglich machen. Ein bemerkenswertes und sehr emotionales Buch. Es lässt den Leser innehalten und darüber nachdenken, auf welch hohem Niveau wir in unserem Land oftmals klagen, und dass man viel öfter und vor allem gründlicher über den eigenen Tellerrand hinaussehen sollte. Ein Jugendbuch, das ganz bestimmt auch die erwachsene Leserschaft anspricht.
Die Geschichte selbst wurde vom Autor sehr eindringlich und aus der Sicht von Miguel erzählt. Diese Sichtweise und ein Schreibstil, der die Gefühle und die Sprache der jugendlichen Protagonisten hervorragend einfängt, lässt sicherlich auch die jungen Leser schnell in die spannende Handlung eintauchen. Ein ausführliches Nachwort macht die sorgfältige Recherchearbeit des Autors deutlich, gibt wichtige Hintergrundinformationen zu der Erzählung, und klärt gleichzeitig über politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge auf. Eine Karte im Buchdeckel gibt dem interessierten Leser die Möglichkeit, während der Lektüre die Reiseroute zu verfolgen. Somit ist dieses Buch ein ausgezeichnetes Gesamtpaket, welches sich auch für den Schulunterricht anbietet.
„Train Kids“ war für mich ein großartiger Roman, weil er mich bis ins Innerste erreichen konnte. Und ein wichtiges Buch, schon allein deshalb, weil das Thema Migration in der heutigen Zeit allgegenwärtig ist. Die Bilder in den Nachrichten sind aufgrund der täglichen Informationsflut oftmals so schnell wieder vergessen. Nicht dieses Buch! Ich bin davon überzeugt, dass dieser Roman dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben und bei ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen wird. Sehr gerne vergebe ich hier fünf Sterne mit einem großen Plus! Und wenn ich das so sagen darf: Bitte lesen!
„Ich habe euch nicht eingesperrt, Junge, ich habe die Welt ausgesperrt. Zumindest für eine Nacht.“ (Seite 136)
Autor: Dirk Reinhardt